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Bagrot Basics

Englische Version

MEILENSTEINE

Gute Nachrichten aus Bagrot! Unsere private Initiative, die vor 11 Jahren begann, zeigt heute vielfältige Erfolge. Die Schulbehörde baut eine Mädchenschule in Datuchi. Der Rohbau für die Government Girls Middle School (staatliche Mittelschule bis 8. Klasse) ist bereits nahezu fertig. Das neue, zweiteilige Gebäude hat 7 Klassenräume und ein kleines Lehrerzimmer.

Dank zahlreicher Spenden konnten vor 2 Jahren Stühle, Schulbänke und -tische angeschafft werden. Die Schülerinnen sind froh und dankbar, nicht mehr auf dem harten und kalten Betonboden in den vorübergehend genutzten Räumen sitzen zu müssen.

Auch die neue, separate Mädchentoilette erleichtert den Schülerinnen die Teilnahme am Unterricht im wahrsten Sinne des Wortes.

Ehemalige Schülerinnen unserer privaten Schule unterrichten inzwischen in staatlichen Grundschulen und verschiedenen Projektschulen für Mädchen in den Dörfern Bagrots oder arbeiten dort als Gesundheitsberaterinnen. Sie leisten mit ihrem Einkommen einen maßgeblichen Beitrag zum Unterhalt der Familie. Der Lebensstandard in diesen Haushalten ist sichtbar höher als in durchschnittlichen Familien, z.B. in Bezug auf Ernährung, Hygiene, Kleidung, Haushaltsausstattung, Ausbildung jüngerer Familienmitglieder und Inanspruchnahme medizinischer Behandlungsmöglichkeiten in Gilgit. Die jungen Frauen sind relativ selbständig, strahlen Selbstsicherheit aus und genießen Respekt innerhalb ihrer Großfamilie.

Von Mensch zu Mensch

Schülerinnen, Eltern und Lehrkräfte lassen alle herzlich grüßen, die mit ihren Spenden und Aktivitäten für den Fortbestand der Schule beigetragen haben. Die vielen Menschen, die wir im September 2003 in Bagrot trafen, erfüllte es mit großer Freude und tiefer Dankbarkeit, dass sie trotz der Ereignisse des 11.9.2001 und den seitdem kursierenden negativen Berichten über ihre Heimat und ihren Glauben von uns nicht vergessen worden sind. Unsere Initiative ist aufgrund der heute weit verbreiteten Vorstellungen von Islamismus, Terrorismus und Frauenverachtung in dieser Region wichtiger denn je. Es geht nicht nur um Bildungschancen für Mädchen in Bagrot. Unser Projekt zeigt die menschliche und persönliche Seite der Bevölkerung in der Region: Die Entwicklung über die vergangenen Jahre und die erzielten Fortschritte spiegeln die Interessen und Bedürfnisse der Menschen wider, ihre Wünsche und Ziele, für die sie sich aktiv einsetzen. Von einem erstarkten Islamismus und von der Unterstützung extremistischer oder terrroristischer Aktivitäten kann in Bagrot nicht die Rede sein. Die Menschen äusserten sich entsetzt über die politischen Entwicklungen und die Tatsache, dass ihre Heimat im Westen so sehr in Verruf gekommen ist. Sie sorgen sich um den Frieden in ihrer Region und befürchten Rückschläge für die wirtschaftliche und politische Entwicklung aufgrund des schlechten Ansehens draußen.

Facts and Figures

Heute besuchen 216 Schülerinnen die Mädchenschule in Datuchi (Juni 2000: 174 Mädchen):

Aufteilung der Schülerinnen
Klassen
stufe:
Vor
schule
1. Klasse 2. Klasse 3. Klasse 4. Klasse 5. Klasse 6. Klasse 7. Klasse 8. Klasse 9. Klasse 10. Klasse
Schülerinnen: 25 17 11 23 18 16 29 32 15 22 8

Bis zum Umzug in das neue Schulgebäude findet der Unterricht weiterhin nachmittags in der Boys High School Datuchi statt, im Sommer von 13.00 - 17.00 Uhr und im Winter von 13.30 - 16.30 Uhr. Deshalb wurde dort vor 2 Jahren eine separate Mädchentoilette gebaut. Für die Grundschulklassen (Vorschule - 5. Klasse) hat die Schulbehörde im Oktober 2001 drei Lehrerinnen eingestellt. Eine Hilfslehrerin wird aus Projektmitteln finanziert. Die Schülerinnen der 6.-10. Klassen kommen aus 4 verschiedenen Dörfern, die Grundschülerinnen nur aus Datuchi, da es heute in allen Dörfern staatliche Grundschulen für Mädchen gibt. Die Schülerinnen der middle und high school Klassen sind in der staatlichen Boys High School Datuchi registriert und müssen dort die jährlichen Prüfungen ablegen, andernfalls würden ihre Zeugnisse und Schulabschlüsse nicht anerkannt. Die 5 männlichen Lehrkräfte der 6.-10. Klassen werden aus unseren Projektmitteln finanziert. Einige Lehrer unterrichten vormittags in der Boys High School oder in der 2002 gegründeten und privat finanzierten BASE Public School. Im Gegensatz zu den staatlichen Schulen ist die Unterrichtssprache der Public School Englisch.

Staatliche und lokale Bildungspolitik

Das Gelände für die Govt. Girls Middle School Datuchi liegt ein wenig oberhalb der Boys High School Datuchi an der Zufahrtsstraße zum Dorf. Ich rechne damit, dass das Gebäude im Frühjahr 2004 bezugsfertig sein wird. Dann ist es an der Schulbehörde, die entsprechenden Stellen auszuschreiben und Personal einzustellen. über den Einstellungstermin erhielten wir keine verbindlichen Zusagen. Die staatliche Einstellungspolitik folgt dem Prinzip der leeren bzw. vollen Kassen: Stellenausschreibung und Einstellungen können im kommenden Jahr erfolgen, das Verfahren kann sich allerdings auch über 2-3 Jahre erstrecken. Eine privat finanzierte Erweiterung des Schulgebäudes würde die Anerkennung als Govt. High School und die Einstellung weiterer Lehrkräfte beschleunigen. Zur Ausstattung einer High School gehört neben den im Bau befindlichen Klassenräumen und Büro eine kleine Aula, ein Labor für den naturwissenschaftlichen Unterricht und mindestens ein weiterer Klassenraum. Sobald die Finanzierung der Lehrkräfte für die Govt. Girls Middle School durch die Schulbehörde gewährleistet wird, ist es sinnvoll, eine Finanzierung der baulichen Erweiterung anzustreben. Ahmad Ali, inzwischen stellvertretender Schulrat in Gilgit, verwaltet weiterhin die Projektmittel und Mohammad Sharif, Schulleiter in Bagrot, beaufsichtigt die Mädchenschule und zahlt auch die Gehälter aus. Als Schulleiter der Boys High School Datuchi hat er die Aufsicht über die staatlichen Schulen in Bagrot und ist gleichzeitig auch zuständig für die Auszahlung der Gehälter an die staatlichen Lehrkräfte im Tal. Ich kenne Muhammad Sharif bereits seit Beginn meines Forschungsaufenthaltes im Herbst 1989. Er hat bei unserem Besuch in verschiedenen Gesprächen eindringlich darum gebeten, unsere Priorität auch angesichts der vielfältigen neuen Bildungsinitiativen in Bagrot weiterhin auf die Mädchenschule zu setzen. Ich konnte ihm bestätigen, dass dieses wichtige Projekt Mittelpunkt unseres Interesses bleibt. Alle Schulen in der Gilgit-Region blieben in diesem Jahr aufgrund einer Anordnung der Provinzregierung über die Sommerferien hinaus geschlossen. Verhandlungen zwischen hochrangigen Geistlichen und Politikern über verschiedene Texte in den neuen Büchern für den gemeinsamen Religionsunterricht aller islamischen Glaubensrichtungen ließen Unruhen in Gilgit und Umgebung befürchten. Während der ersten Tage der Verhandlungen blieben die Schulen deshalb geschlossen. 3 Tage vor unserer Abreise wurde diese Anordnung aufgehoben; so konnten wir verschiedene Schulen während der regulären Unterrichtszeit besuchen und standen nicht vor leeren und verschlossenen Gebäuden. Im vergangenen Jahr wurden in der Schulbehörde in Gilgit Überlegungen angestellt, die private Finanzierung der Lehrkräfte über die Schulbehörde abzuwickeln. Dies hätte zur Folge, dass wir die Projektmittel an die Schulbehörde überweisen und die Lehrkräfte von dort bezahlt werden. Allerdings werden bei diesem Verfahren Steuern für den Verwaltungsaufwand fällig: 10-15% der Projektmittel. Die Leitung der Schulbehörde hat schließlich zugestimmt, das seit 12 Jahren bewährte Verfahren zu bestätigen, weil es sich als unmittelbar wirksam und sehr erfolgreich erwiesen hat. Angesichts des bisherigen Scheiterns staatlicher Institutionen, ein Grundbildungsangebot für alle bereitzustellen, eine pragmatische Entscheidung.

Neue Bildungsinitiativen in Bagrot

In den vergangenen 3 Jahren hat sich im Bereich Schul- und Grundbildungsangebot sehr viel auf der Basis lokaler Initiativen im Sinne der Selbsthilfe getan. Unterstützt wird diese Entwicklung dadurch, dass sich heute weit mehr Familien Bildung leisten (können) aufgrund einer besseren finanziellen Ausstattung vieler Haushalte als noch vor einigen Jahren. Und auch aufgrund der Tatsache, dass die heutige Elterngeneration der Kinder im schulfähigen Alter im Vergleich selbst bereits einen höheren Anteil an schulgebildeten Vätern und Müttern aufweist als vor 12 Jahren. In drei Dörfern Bagrots gibt es jetzt auch ein Grundbildungsangebot für Frauen (Adult Literacy Centre for Women), die Basiskenntnisse in der pakistanischen Verkehrssprache Urdu und in den Grundrechenarten sowie Englisch erwerben möchten. In Datuchi und Farfui handelt es sich um staatlich finanzierte Projekte, in Hope um eine private Initiative, d.h. die erwachsenen Schülerinnen müssen Gebühren für den Unterricht entrichten. Im Dorf Farfui ist inzwischen eine Government Girls Middle School in Betrieb, in der auch High School-Klassen (9. und 10. Klasse) unterrichtet werden. Die verschiedenen English Medium Schools, die vor 3-4 Jahren in den Dörfern Datuchi, Bulchi und Farfui auf privater Basis initiiert worden waren, haben sich jetzt zu einer Public School zusammengeschlossen, die von der staatlich registrierten, lokalen NGO namens BASE (Bagrot Association for Social Enhancement) betrieben wird. Der Unterricht findet auf einem Feld und nebenan in einigen ausgedienten Ställen und Hütten der Gemarkung Datuchi statt, das relativ in der Mitte des Tals liegt. Base branch schools für die Grundschulklassen arbeiten in Sinakir, Bulchi und Farfui. Auf diese Weise ist der Schulweg für die jüngeren Schüler/innen nicht zu weit. In einem Film über den Karakorum Highway finden sich einige Szenen vom ersten Schultag der neuen BASE Public School in Datuchi.

Erstaufführung in Bagrot

Im März 2002 hat das Schweizer Filmteam von Offroad Reports zum International Mountain Year den Film „Die Karakorum Straße - Einbahnstraße zur Globalisierung” in den Northern Areas gedreht. Der Film berichtet über die Auswirkungen des Karakorum Highway auf die Region. Er zeigt u.a. Szenen aus Bagrot vom ersten Schultag der BASE Public School und Interviews mit den Lehrern Muhammad Hussein und Sheikh Mir Hussein zum Thema Bildung sowie mit Ahmad Ali über Tradition und Wandel in Bagrot. Bei unserem Besuch schauten sich die Nachbarinnen aus Datuchi diesen Videofilm über den Alltag in ihrer Heimat und in den Nachbartälern, die die meisten Frauen und Mädchen nur aus Erzählungen kennen, erstmals an.

Monika Schneid, Hamburg, Oktober 2003

Adresse:

Lübecker Straße 82
22087 Hamburg
Tel: +49+40-250 37 08
E-Mail: monika@monikaschneid.de

Spendenkonto:

Forum Kinder in Not e.V.
Kreissparkasse Tübingen
IBAN: DE31641500200002753609
BIC: SOLADES1TUB
Stichwort: Pakistan (bitte unbedingt angeben)

Bei Angabe der vollständigen Adresse auf dem Überweisungsträger wird eine Spendenbescheinigung zugeschickt.

Bagrot Newsletter 2003.pdf

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